Schon die Römer waren Abwasserexperten
22.03.2017
Der „Internationale Tag des Wassers“ steht 2017 unter dem Motto „Wastewater – Abwasser“. Mit dem Tag machen die Vereinten Nationen auf die wichtige Arbeit der Wasserwirtschaft aufmerksam. Eine funktionierende Abwasser-Entsorgung ist gelebte Daseinsvorsorge: In der ältesten Stadt Baden-Württembergs ist die vom ENRW Eigenbetrieb Stadtentwässerung betriebene Kläranlage „In der Au“ für diese wichtige Aufgabe zuständig. Abseits des öffentlichen Bewusstseins verrichtet sie Tag für Tag ihre ungemein wichtige Arbeit. Genau vor hundert Jahren wurde in Rottweil die erste Kläranlage errichtet. Aus Anlass des Jubiläums soll die Geschichte der Abwasserentsorgung in Rottweil in einer kleinen Serie vorgestellt werden. Auftakt ist die Antike.
Für den hohen hygienischen Standard im klassischen Altertum lassen sich zahlreiche Belege finden. Bereits 3000 vor Christus kannten die Sumerer Toiletten und Bäder. Ebenso gab es Abwasserkanäle in den bereits gepflasterten Straßen. 200 Jahre später behandelten die Bewohner Mesopotamiens, dem heutigen Irak, bereits Abwasserbehandlungsanlagen. 2000 vor Christus wurden auf Kreta im Palast von Knossos ein Latrinensystem und Abwasseranlagen entwickelt.
600 vor Christus galt Babylon als die prunkvollste Stadt der Welt. In dieser einstigen Metropole wurden 1.450 Kilometer Wasser- und Abwasserleitungen verlegt. Zum Vergleich: unter Rottweil befinden sich derzeit rund 200 Kilometer Abwasserleitungen. 500 vor Christus existierten in Athen bereits die ersten Fäkalien- und Sickergruben. 200 vor Christus kannte man in Pompeji schon wassergespülte Sitztoiletten und 150 vor Christus verfügten in Griechenland die meisten wohlhabenden Bürger bereits über eine Toilette.
Interessant für Rottweil sind die Bemühungen der Römer um eine funktionierende Abwasserentsorgung, immerhin entstand in den Jahrzehnten ab 73 nach Christus auf dem Stadtgebiet von Rottweil die römische Siedlung Arae Flaviae. So bauten die Römer bereits 400 vor Christus in Rom die „Cloaca Maxima“, welche teilweise bis heute noch besteht und in Funktion ist. 32 vor Christus gelangte das Abwasser in Rom schon in riesige Rückhaltebecken, und Sklaven reinigten regelmäßig die Abwasserkanäle. Auch in Arae Flaviae wurde das Abwasser in sorgfältig gearbeiteten kleinen Kanälen aus Stein oder Ziegeln in Richtung Prim oder Neckar abgeleitet.
Die Römer verehrten unter dem Namen „Venus Cloacina“ sogar eine Schutzheilige für die Abwasserableitung. Öffentliche Toiletten – die „Latrinen“ – dienten als Sitzungsort im doppelten Sinn. Latrinen wurden mit dem Abwasser von öffentlichen Bädern gespült. Unter den Sitzbänken floss nahezu durchgängig Wasser, das die Fäkalien abtransportierte. Vor den Füßen befand sich eine Rinne mit Frischwasser zum Reinigen. In den Latrinen verloren die Römer oft kleine Gegenstände, die heute bei Grabungen gefunden werden: beispielsweise Münzen, Fibeln, Haarnadeln oder auch Schmuck. Toilettenpapier gab es nicht, stattdessen wurde ein kleiner Schwamm benutzt. Versäumten es die Römer, ihre Latrinen gründlich zu reinigen, entstand explosives Methan. Suchte dann jemand nachts mit einer Kerze die Latrine auf, konnte sich das Methan entzünden und explodieren.
Selbst das Sprichwort „Geld stinkt nicht“ hat mit der römischen Abwasserentsorgung zu tun. Zur Zeit der Römer gab es den Beruf des Urinsammlers. In den Städten standen überall Amphoren als Pissoir, um den Urin zu sammeln. Die Urinsammler verkauften für viel Geld den Urin an die Wäschereien und Gerbereien, wo die ammoniakhaltige Flüssigkeit als fettlösendes Waschmittel benutzt wurde. Der Kaiser Vespasian – sozusagen „Gründer“ der Stadt Rottweil – wollte den Staat mit einer Urinsteuer an den Einnahmen der Urinsammler beteiligen und deshalb eine Urinsteuer erheben. Sein Sohn Titus rügte ihn deshalb. Da hielt ihm Vespasian eine Münze vor die Nase und fragte, ob denn die Münze nach Urin riechen würde. Als Titus mit „Nein“ antwortete, entgegnete Vespasian: „Und doch stammt das Geld von der Urinsteuer. Geld stinkt nicht – Pecunia non Olet“.
Mit dem Untergang des römischen Reichs verschwanden die wertvollen Errungenschaften in Sachen „Abwasserentsorgung“. Die mittelalterlichen Städte in Europa verfügten weder über eine Kanalisation, noch über Abwasseranlagen. Pest-, Pocken-, Cholera und Typhus-Epidemien brachten für viele Menschen den frühen Tod.
Das Jubiläum der Rottweiler Kläranlage wird am Sonntag, 16. Juli, mit einem Tag der offenen Tür begangen. Die Besucher erwartet u. a. Führungen, ein Kunstwettbewerb zum Thema „Wasser“, Kinderprogramm und eine Demonstration technischer Geräte (z. B. Kanalfahrzeug).
„Römische Toilette“ als 3D-Wand im Illusions-Center „Puzzling world“ in Wanaka, Neuseeland. Quelle: Pixabay